Bram Stoker ist schuld daran, dass viele Menschen noch heute mitten in der Nacht starr vor Angst aufwachen, weil sie von “Dracula” geträumt haben, dem Grafen im gleichnamigen Roman von 1897. Auch das Wort Transsylvanien ruft seither bei furchtsamen Seelen Beklemmungen hervor – desolate Dörfer, wilde Landschaften, hoch aufragende Burgen. Dort nämlich, im heutigen Rumänien, hat Stoker den nach menschlichem Blut gierenden Untoten verortet. Als Vorbild für seinen Vampir diente ein Woiwode, der im Spätherbst des Mittelalters unbarmherzig über die Walachei herrschte. Vlad der Pfähler wurde er genannt, nach der auch bei den benachbarten Osmanen gepflegten Vorliebe, tausende Opfer auf diese Art langsam umzubringen.

Es hätte auch ganz anders kommen können. Ursprünglich hatte Stoker geplant, seine Schauergeschichte auf einem Schloss in der Steiermark spielen zu lassen. Aus diesem Plan wurde leider nichts. Am 28. Juni 2025 ist es noch einmal anders; Vlad III., der Sohn des Drachens, kommt ins Waldviertel! Grischka Voss und das Ensemble Leones nehmen sich dieses reichen Stoffes im Klangraum Dobra an. Kann es einen besseren Ort für wohligen Grusel geben als die Insel der Burgruine Dobra? Dort beleuchtet das Festival diesmal “Die dunkle Seite der Macht”. Hören Sie bei diesem Satz bereits das Röcheln des gefallenen Jedi-Ritters Darth Vader aus der unendlichen Kino-Saga “Star Wars”?

Wir machen uns diesmal in Dobra aber nicht auf in die Zukunft eines galaktischen Imperiums, sondern gehen beherzt zurück in die Vergangenheit. Am 27. Juni führen uns Karl Markovics und das Ensemble Leones ebenfalls an den Rand der beginnenden Neuzeit, zu einem zumindest hierzulande und auch in Burgund positiv besetzten Mythos: Maximilian – der letzte Ritter. Doch die Nostalgie täuscht. Von wegen Mittelalter! Der Kaiser wusste bereits mit all den Umwälzungen seiner Zeit umzugehen, er war ein Alter Meister der PR. Amerika wurde wieder einmal entdeckt, der Buchdruck war endlich auch nach Europa gekommen, so wie leider auch das Schießpulver. Humanisten und andere Reformatoren setzten einen radikalen Wandel in religiösen Fragen in Gang. Aberglaube oder Glaube? Alchimie oder Chemie? Das musste erst noch mühselig geklärt werden. Die Hexenverbrennungen nahmen in dieser neuen Zeit sogar noch dramatisch zu. Nur nach und nach wurde die Wissenschaft befreit, begann zu blühen, entgrenzte sich. Und die Habsburger waren damals auf Dominanz in ganz Europa aus.

Am Ende machen Michael Köhlmeier und das Ensemble am 29. Juni dem Publikum begreifbar, was das “Best of Böse” sei. Als Exempel dienen große Tragödien, die William Shakespeare bereits mitten in der Neuzeit rund um 1600 verfasst hat: “Hamlet” entstand gerade noch zu Lebzeiten der letzten Tudor-Königin Elizabeth I., “König Lear” zu Beginn der Herrschaft von James I., des ersten Stuart-Königs in der Union von England, Schottland und Irland. Die Rachetragödie des frustrierten Prinzen führt zurück ins frühe Mittelalter Dänemarks, die traurige Geschichte des senilen Königs in eine mythische Zeit. Fahrlässig gibt der greise König die Macht an seine Töchter ab und will dadurch Stabilität erzeugen, schafft aber nur Chaos. Wer meint, dass Shakespeare bei dieser Betrachtung der dunklen Seite der Macht nur ins finstere Mittelalter zurückblickt, täuscht sich. Wer meint, dass er damit nur die Tragik und den Machiavellismus seiner Zeit enthüllt, täuscht sich. Heute noch treffen Nachfolger dieser Könige dieselben fatalen Entscheidungen. Lear lebt! Hamlets Gift wirkt noch immer. Maximilian war nicht der letzte Ritter, der von Allmacht träumt. Auch Vladimir ist längst wieder erwacht.

Ich freue mich auf Ihren Besuch!
Ihr Thomas Bieber

Klangraum Dobra

Im Herzen des Waldviertels in der mystischen Landschaft des Kampsee Dobras gelegen, bietet sich dem Besucher ein österreichweit einzigartiges Festivalerlebnis.

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